Über das "Du" zwischen Chef und Arbeitnehmern
Aber nicht nur Betriebsstrukturen sollten über das Für und Wider dieser Frage entscheiden, sondern auch psychologische und personelle. Ein Vorgesetzter müsste seine Mitarbeiter gut kennen, deren Charaktereigenschaften und deren Tugenden. Einem Lehrling würde ich als Vorgesetzter aber trotzdem das Du nicht anbieten. Eine gewisse Distanz sollte in solchen Fällen schon sein, sonst geht tatsächlich der Respekt verloren. Andererseits wächst Respekt aber hauptsächlich durch vorbildliches Verhalten im Allgemeinen und durch gute Arbeitsleistungen im Besonderen.
Als Vorgesetzter kann man auch nicht ständig in schöner Harmonie mit seinen Mitarbeitern leben.
Manchmal sind auch harsche Kritik oder Forderungen nötig, die nicht jedem gefallen.
Ein Vorgesetzter muss führen, dabei urteilen, loben, kritisieren und entscheiden. Das Duzen könnte in einer schwierigen Atmosphäre zu Problemen führen und die Entscheidungen des Chefs relativieren und schwächen. Wenn allerdings der Chef die Charaktere seiner Mitarbeiter kennt und sie gut einschätzen kann, wird man auch mit dem Du umgehen können. Der Durchblick des Chefs dürfte also entscheidend sein, wie man sich entscheidet.
Ich fragte einige Geschäftsleute und Betriebsleiter zu dieser kniffligen Frage. - Einer sagte mir:
"Man lässt zuviel private Nähe zu, mit dem Du, das ist im Geschäftsleben nicht gut." - Ein anderer sagte: "Ein Abstand zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer muss sein." - Ein dritter sagte: "Es kommt meiner Meinung nach auf die Länge der Zusammenarbeit an." - Ein vierter sagte: "Ich brauche mit dem Du als Handwerker die Nähe zu meinen Mitarbeitern, weil wir sowieso eng praktisch miteinander Hand in Hand zusammenarbeiten."
Man kann das angesprochene Problem also von verschiedenen Seiten verschieden sehen. Welche Entscheidung richtig ist, überlasse ich meinen Lesern.
Bernd Müller-Kaller